Premier Carney Favorit: Parlamentswahl in Kanada ganz im Zeichen von Trump
Inmitten der von US-Präsident Donald Trump geschürten Spannungen wählen die Kanadier am Montag ein neues Parlament und damit eine neue Regierung. Premierminister Mark Carney geht dabei mit seiner Liberalen Partei als klarer Favorit ins Rennen. Eigentlich hatte die Konservative Partei von Oppositionsführer Pierre Poilievre in Umfragen lange Zeit klar vorne gelegen, Trumps aggressive Zollpolitik und seine Annexionsbestrebungen brachten aber einen spektakulären Meinungsumschwung in Kanada.
Zuletzt kamen Carneys Liberale in einem vom kanadischen Rundfunksender CBC berechneten Umfragedurchschnitt auf 42,5 Prozent der Stimmen, die Konservativen auf 38,7 Prozent. Die Liberalen hatten damit einen Vorsprung von knapp vier Prozentpunkten.
Die beiden Spitzenkandidaten warben am Wochenende noch einmal intensiv um Wählerstimmen. Premier Carney, der sich im Wahlkampf als bester Kandidat präsentierte, um es mit Trump aufzunehmen, griff dabei erneut sowohl den US-Präsidenten als auch seinen Herausforderer Poilievre an.
"Präsident Trump hat die Weltwirtschaft im wahrsten Sinne des Wortes zerrissen und Kanada verraten", sagte Carney bei einer Wahlkampfveranstaltung in der westlich von Toronto gelegenen Stadt Mississauga. "Die Kanadier haben den Schock dieses Verrats überwunden, aber wir sollten nie die Lehren daraus vergessen."
Sein Rivale Poilievre habe "keinen Plan" und es fehle ihm an wirtschaftspolitischem Scharfsinn und Erfahrung, um Kanada während eines Handelskriegs mit den USA zu führen, sagte Carney. "Wir brauchen kein Chaos, wir brauchen Ruhe. Wir brauchen keine Wut, wir brauchen einen Erwachsenen", sagte der 60-Jährige, der in der Vergangenheit die Zentralbanken Kanadas und Großbritanniens geleitet hatte.
Trumps Rückkehr ins Weiße Haus am 20. Januar hat dem Rennen um das Amt des Premierministers in Kanada eine neue Wendung gegeben. Als Carneys Parteikollege Justin Trudeau Anfang Januar seinen Rücktritt als Regierungschef angekündigt hatte, hatten die Liberalen in den meisten Umfragen mehr als 20 Prozentpunkte hinter den Konservativen gelegen. Es schien demnach sicher, dass der 45-jährige Poilievre Kanadas nächster Premierminister wird.
Trump sorgte aber mit Zöllen gegen Kanada und der wiederholt bekundeten Absicht, das Nachbarland zum 51. Bundesstaat der USA zu machen, für große Wut und Verunsicherung bei den Kanadiern. Der seit Mitte März regierende Premier Carney fokussierte sich im Wahlkampf auf Trump und gewann aufgrund seiner großen wirtschafts- und finanzpolitischen Erfahrung an Rückhalt.
Poilievre versuchte, im Wahlkampf wieder mehr Aufmerksamkeit auf die Themen zu legen, bei denen Carneys Vorgänger Trudeau die Wähler enttäuscht hatte, beispielsweise die steigenden Lebenshaltungskosten.
"Sie können nicht noch vier solche Jahre ertragen", sagte Poilievre am Samstag vor Anhängern in Delta in der Provinz British Columbia. "An die alleinstehende Mutter, deren Kühlschrank, Magen und Bankkonto alle leer sind und die nicht weiß, wie sie morgen ihre Kinder satt bekommen soll: Haben Sie Hoffnung, der Wandel ist unterwegs", versprach der Oppositionschef, der bereits seit zwei Jahrzehnten Abgeordneter im kanadischen Parlament ist.
Zuletzt haben die Konservativen, die in Umfragen zwischenzeitlich sieben bis acht Punkte hinter den Liberalen lagen, wieder etwas aufholen können. Der Politikwissenschaftler Daniel Beland von der McGill-Universität sagte aber, es sei den Konservativen nicht gelungen, den Wahlkampf von Trump weg auf andere Themen zu lenken.
Der politische Analyst Tim Powers sagte ebenfalls, der "seltsame Wahlkampf" voller Wendungen sei nicht so verlaufen, wie die Konservativen es sich gewünscht hätten. Sie hätten unter anderem auf eine größere Debatte über Lebenshaltungskosten gehofft.
Bei der Wahl sind 28,9 Millionen Bürger stimmberechtigt. Mehr als sieben Millionen von ihnen nutzten bereits vor dem eigentlichen Urnengang am Montag die Möglichkeit zur vorzeitigen Stimmabgabe. Mit dem Ergebnis wird wenige Stunden nach Schließung der Wahllokale gerechnet.
Gewählt werden 343 Abgeordnete. Gewinnt eine Partei mit mindestens 172 Sitzen eine absolute Mehrheit, kann sie allein regieren. Andernfalls muss der Wahlsieger Bündnisse mit anderen Parteien eingehen.
A. Martins--JDB